Das Muffelwild: die Letzten ihrer Art
Das Muffelwild, Europas einziges Wildschaf, ist ein faszinierender Bewohner unserer Wälder, doch seine Zukunft ist stark gefährdet.
Das Muffelwild (Ovis gmelini musimon), auch Mufflon genannt, ist die einzige in Europa heimische Wildschafart und gleichzeitig die kleinste weltweit. Ursprünglich stammt es von den kleinasiatischen Mufflons ab, deren Stammform gegenwärtig nicht mehr existiert. In der Jungsteinzeit wurden Mufflons von Menschen als Fleischlieferant, Jagdobjekt und möglicherweise auch als Kulttier in den Mittelmeerraum eingeführt. Dort überlebten sie auf Korsika
und Sardinien, ohne jemals domestiziert worden zu sein. Die gegenwärtigen Bestände in Mitteleuropa resultieren aus der Aussetzung von Tieren dieser Inselpopulationen um das Jahr 1905. Wie das Damwild gilt auch das Muffelwild heute als heimische Wildart, wobei eine Kreuzung mit dem Hausschaf als Stammform möglich ist.
Lebensraum und Anforderungen
Das Muffelwild bevorzugt trockene, warmtemperierte Lebensräume mit steinig-felsigem Boden. Hier ist das Muffelwild vorwiegend in lichten Wäldern heimisch. Deckung sucht es auch in Laub- und Nadelholzdickungen. Als Raufutterfresser ernährt es sich in erster Linie von Gräsern und Kräutern, bei Bedarf auch von Gehölzen und Rinden. Bei geringen Waldflächen ist zudem ein Auftreten auf Wiesen und Saatfeldern zu beobachten.
In Abhängigkeit von den Äsungsverhältnissen und der Verbissbelastung des Waldes kann es zu unterschiedlich stark ausgeprägten Schälschäden kommen.
Sinne und Sozialverhalten
Muffelwild verfügt über exzellente Sinne. Es windet und vernimmt außerordentlich gut und äugt besser als alle anderen Schalenwildarten.
Die Sozialstruktur ist durch das Leben in Rudeln gekennzeichnet, wobei erwachsene Widder sich in der Regel in kleineren Trupps zusammenschließen.
In der Brunftzeit schließen sich die Widder den Schafrudeln an. Zu den charakteristischen Lauten des Muffelwildes zählen das Meckern als Kontaktlaut, das pfeifende Warnsignal, das dem der Gams ähnelt, sowie das Blädern, ein leises, schnarrendes Geräusch während der Brunft des treibenden Widders.
Haarwechsel und Aussehen
Muffelwild durchläuft zweimal im Jahr einen Haarwechsel. Im
Winter ist die Decke des Widders braun bis schwarzbraun gefärbt und weist einen auffälligen, hellen Sattelfleck auf, die "Schabracke". Im Sommer erfolgt eine Färbung des Widders in ein rotbraunes Farbkleid, wobei die hellen Abzeichen ihre Sichtbarkeit bewahren.
Die Färbung der weiblichen Tiere (Schafe) ist weniger ausdrucksvoll: Im Winter ist das Fell des Schafs graubraun, im Sommer gelblich braun, wobei die hellen Abzeichen erhalten bleiben. Schafe haben aber keinen Sattelfleck! Der Sommer-Haarwechsel erfolgt im Mai, während das Winterhaar im September und Oktober gebildet wird.
Gehörn und Altersbestimmung
Die Schnecken des männlichen Muffelwildes beginnen sich im Alter von drei bis vier Monaten als Stirnzapfen zu entwickeln. Das Hornwachstum unterliegt einer periodischen Entwicklung. In den ersten drei Jahren bildet der Widder den Großteil seines imposanten Kopfschmucks. Nach dem vierten Lebensjahr nimmt das Wachstum deutlich ab.
Der Basisumfang der Schnecke kann eine Länge von bis zu 35 cm aufweisen, während die Gesamtlänge bis zu 80 cm oder darüber hinausgehen kann. Auf der Oberfläche der Schnecke befinden sich kräftige Schmuckwülste, die aber nicht mit den Jahresringen verwechselt werden dürfen! Eine Missbildung sind die sogenannten Einwachser, bei denen die Schneckenspitzen nach innen wachsen und Schmerzen sowie Wundinfektionen verursachen können. Dies kann letztlich zum qualvollen Verenden des Tieres führen.
Weibliche Stücke, also Schafe, bleiben in der Regel hornlos oder entwickeln lediglich kurze Stümpfe.
Brunftzeit und Fortpflanzung
Die Brunftzeit des Muffelwildes fällt in die Monate Oktober bis Dezember, wobei der November als der Höhepunkt dieser Zeit betrachtet wird.
Im Rahmen der Brunftzeit kommt es zu Kämpfen zwischen den Widdern, bei denen die Gehörne mit voller Wucht aufeinander prallen, sodass ein Krachen der Schnecken weithin hörbar ist.
Die Tragzeit beträgt 5 bis 5 ½ Monate, wobei die Lämmer hauptsächlich im April bis Anfang Mai geboren werden. Die Geburt von Zwillingen ist selten, kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. In expandierenden Gründerpopulationen werden gelegentlich auch Herbstlämmer geboren.
Natürliche Feinde und Gefährdung des Bestandes
Luchs und Wolf stellen im Wesentlichen die natürlichen Feinde des Muffelwildes dar. Da das Luchsvorkommen sehr punktuell ist, die Wolfspopulation hingegen in den letzten Jahren fast flächendeckend stark angestiegen ist, trägt er entscheidend zur Dezimierung und in einigen Regionen sogar zur Ausrottung der Muffel bei.
Folgende Faktoren sind dabei entscheidend:
Mangelnde Fluchtmöglichkeiten des Muffelwildes: Muffelwild hat sich an offene, steinige Landschaften angepasst, in denen es auf Sicht und Geschwindigkeit fliehen kann. In vielen deutschen Waldgebieten, wo das Muffelwild heute lebt, ist die Vegetation jedoch dichter. Das erschwert die Flucht vor Wölfen erheblich, da die Tiere in dichten Wäldern schlechter sehen und sich weniger schnell bewegen können.
Wölfe als effektive Jäger: Wölfe sind hochspezialisierte Rudeljäger, die ihre Beute durch Ausdauer und Taktik erlegen. Das Muffelwild, besonders die jüngeren und älteren Tiere, ist gegenüber diesen Jagdmethoden stark benachteiligt. Wölfe können das Muffelwild in Waldgebieten relativ leicht aufspüren und reißen.
Fehlende natürliche Fluchtstrategien: Da das Muffelwild ursprünglich aus Regionen ohne große Beutegreifer stammt, haben sie kaum ausgeprägte Fluchtstrategien gegenüber Großraubtieren entwickelt. Das macht sie besonders anfällig für Wolfsangriffe.
Hohe Verluste bei Jungtieren: Besonders gefährlich ist der Wolf für die Lämmer des Muffelwildes. Die hohe Verlustrate unter den Jungtieren verhindert oft, dass sich die Bestände ausreichend regenerieren können, was langfristig zu einem Rückgang oder dem völligen Verschwinden der Population führt.